Heute wurde ich auf ein Produkt angesprochen, dass ich unter diesem Namen nicht kannte. Wow, eine echte Wissenslücke dachte ich. Um was ging es da? Nun, in den Weiten der Finanz-Community, insbesondere in Foren wie Reddit, hat sich ein Kunstbegriff völlig abseits meiner Wahrnehmung etabliert, der ebenso spielerisch wie suggestiv klingt: der “Heilige Amumbo”.
Was sich anhört wie eine mythische Gestalt, ist in Wirklichkeit ein recht schnöder, für mich fast langweiliger Finanzbaustein aus dem Hause Amundi. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich der Amundi Leveraged MSCI USA Daily UCITS ETF, ein synthetischer, zweifach gehebelter ETF auf den MSCI USA Index. Der ETF verspricht, die tägliche Performance des US-Markts mit doppeltem Hebel zu replizieren – ein verlockendes Produkt für Anleger, die auf schnelle Kursgewinne setzen. Doch wie so oft an der Börse, steckt der Teufel im Detail.
Mythos trifft Mechanik
Die Faszination für Produkte wie den “Heiligen Amumbo” speist sich aus einem einfachen Prinzip: Wenn der US-Aktienmarkt um ein Prozent steigt, legt der ETF zwei Prozent zu. Ein Hebel von zwei klingt in boomenden Marktphasen wie ein renditestarker Multiplikator, insbesondere in Zeiten niedriger Zinsen und der allgemeinen Jagd nach Performance. Kombiniert mit dem Ruf großer US-Technologieunternehmen und der bisherigen Robustheit des MSCI USA Index, erscheint der ETF auf den ersten Blick wie ein logisches Instrument für risikofreudige Selbstentscheider.
Doch die Mechanik hinter dem Produkt erfordert mehr als nur Renditehunger. Der ETF basiert nicht auf physischen Aktien, sondern auf synthetischer Replikation – konkret: Swaps. Er bildet die tägliche (!) Entwicklung des Index mit Hebel ab, was bedeutet, dass die Ausgangsbasis für jeden neuen Handelstag neu gesetzt wird. Und genau hier beginnen die Probleme, die ich kurz darstellen möchte in der Hoffnung, nicht zu kompliziert zu erklären:
Pfadabhängigkeit und Volatility Drag
Ein zentrales Konzept bei der Bewertung gehebelter ETFs ist die sogenannte Pfadabhängigkeit. Anders als bei einem langfristigen Investment in einen klassischen Indexfonds, bei dem Anfangs- und Endstand des Index entscheidend sind, kommt es bei gehebelten ETFs auf den exakten Verlauf der Tagesrenditen an. Schwankt der Markt stark, selbst wenn er mittelfristig seitwärts läuft, kann der ETF trotz identischem Indexstand an Wert verlieren. Dies liegt am sogenannten “Volatility Drag”. Verluste wirken in der Berechnung stärker als Gewinne. Ein einfaches Beispiel verdeutlicht das Dilemma: Fällt der Index an Tag 1 um 5 % und steigt am nächsten Tag um 5,26 %, so ist der Index nahezu wieder auf dem Ursprungsniveau. Der gehebelte ETF hingegen verliert 10 % und gewinnt danach 10,52 %, was nicht ausreicht, um den Verlust auszugleichen.
In Phasen starker Volatilität, wie wir sie beispielsweise während der Corona-Crash-Wochen im Frühjahr 2020 oder der Finanzkrise 2008 erlebt haben, wirkt dieser Effekt besonders destruktiv. Zwar gab es den “Heiligen Amumbo” damals noch nicht, doch das Prinzip gilt für alle vergleichbaren Produkte. Viele Trader erlebten in diesen turbulenten Wochen, wie rasch aus gehebelter Rendite ein ruinöser Drawdown werden kann.
Kosten und strukturelle Risiken
Hinzu kommen die laufenden Kosten: Die Total Expense Ratio (TER) des Amundi-Produkts liegt bei 0,50 % p.a. – im ETF-Universum absolut kein dramatischer Wert, aber relevant, wenn man bedenkt, dass Hebel-ETFs für viele Anleger keine langfristigen Buy-and-Hold-Produkte sind. Viel entscheidender sind jedoch implizite Kosten, etwa durch die Swap-Gebühren und die Spreads beim Handel. Auch die Tracking-Differenz – die Abweichung zwischen Index- und ETF-Performance – fällt bei solchen Produkten oft größer aus als bei klassischen ETFs.
Ein weiteres Risiko betrifft die psychologische Komponente: Viele Anleger unterschätzen die Wirkung des täglichen Resets. Sie rechnen mit einer Jahresrendite von zwei Mal dem Index – doch das funktioniert nur, wenn der Markt ohne große Rückschläge streng linear läuft. Eine Seltenheit in realen Börsenphasen. Soweit alles klar?
Zwischen Meme-Kultur und Realität
Die Popularität des “Heiligen Amumbo” ist nicht zuletzt Ausdruck einer digitalen Subkultur, die sich zwischen Memes, Selbstironie und einer Prise Nihilismus bewegt. Ähnlich wie bei GameStop oder Dogecoin stehen oft Emotion und Gruppendynamik im Vordergrund, weniger fundierte Fundamentalanalyse. Diese Trends werden verstärkt durch Plattformen wie TikTok oder YouTube, auf denen Influencer mit Screenshots hoher Tagesgewinne Aufmerksamkeit generieren.
Dabei sollte nicht vergessen werden: Die Kehrseite ist ebenso spektakulär. Wer einen solchen ETF falsch einsetzt oder in einer Seitwärts- oder Abwärtsphase hält, kann innerhalb weniger Wochen einen Großteil seines eingesetzten Kapitals verlieren. Das eingegangene Kursrisiko in fallenden Marktphasen ist erheblich. Zwar kann ein ETF nicht mehr verlieren als 100 %, aber bei einem zweifachen Hebel kann ein 50-%-Verlust im Basisindex theoretisch den Totalverlust des Produkts bedeuten.
Nur für Kenner und Kurzfriststrategen
Der “Heilige Amumbo” ist ein interessantes Produkt, aber natürlich kein Wundermittel. Er eignet sich ausschließlich für kurzfristige Spekulationen und sollte nur von Anlegern eingesetzt werden, die die Wirkweise und Risiken solcher ETFs wirklich verstehen. Langfristige Investoren oder Sparer auf dem Weg zur Altersvorsorge sind mit klassischen aktiven Produkten oder mit physisch replizierten ETFs deutlich besser beraten. Renditehunger allein ist kein guter Ratgeber an der Börse. Wer Hebelprodukte einsetzt, ohne ihre Mechanik zu verstehen, wird langfristig eher zu den Verlierern zählen – ganz gleich, wie heilig der Name auch klingen mag.