Gestern war ein Tag, den wir vermutlich so schnell nicht vergessen werden. Der 6. November 2024 – ein Tag, der wohl in die Geschichtsbücher eingehen wird. Und, wenn ich ganz ehrlich bin, könnte ich mir Schöneres vorstellen, als dabei zuzusehen, wie auf beiden Seiten des Atlantiks die Uhren in eine Richtung zurückgedreht werden, die mich eher an ein Gesellschaftsspiel à la “Wie verschlanke ich mein Potenzial?” erinnert. Die USA haben Donald Trump zurück an die Macht gewählt, und bei uns in Deutschland ist die Ampel-Koalition in sich zusammengefallen. Make Europe Still Smaller, so scheint es.
Fangen wir mit Trump an: Der Mann, der „America Great Again“ machen will – nun ja, das kennen wir schon aus seiner ersten Amtszeit. Eine Steuerreform hier, eine Zollpolitik da und, ach ja, die Mär vom “Deep State”, den er nun endlich aushebeln will. Mehr als hunderttausend Beamte sollen ihren Platz räumen, die Gerichte sollen brav im Einklang mit seinem Willen urteilen, und selbst die Fed steht, wenn es nach ihm geht, unter seiner Fuchtel. Es ist, als ob Trump Amerika in eine grandiose Vorstellung von „My Way or the Highway“ führen will. Dabei verkennt er, dass solche Eingriffe in die Unabhängigkeit von Institutionen ökonomisch verheerend sein können. Ronald Reagan, der einst die republikanische Idee des freien Marktes und der Checks-and-Balances hochhielt, würde sich wohl im Grabe umdrehen. Protektionismus und Günstlingswirtschaft machen eben kein Land „great“.
Die Märkte haben Trumps Wiederwahl erstaunlich gefasst aufgenommen. Wall Street hat sich bereits vor Monaten mit der Rückkehr des umstrittenen Präsidenten abgefunden und sieht den Steuervergünstigungen für Unternehmen schon freudig entgegen. Doch die Staatsverschuldung wird steigen, die Inflation könnte mit wachsendem Haushaltsdefizit weiter Druck machen, und die Fed wird womöglich gezwungen sein, höhere Zinsen zu setzen. Diese Gemengelage könnte Amerikas wirtschaftspolitisches System auf ein ziemlich brüchiges Fundament stellen. Aber Hauptsache, die großen Tech-Bosse und Milliardäre jubeln – sie sind ja schließlich die ersten Nutznießer dieser Politik. Wohlstand für alle? Klingt eher nach Wohlstand für wenige. Wir werden sehen.
Und dann am Abend – der Paukenschlag in Deutschland: Die Ampel ist (endlich) geplatzt. Bundeskanzler Scholz entlässt Finanzminister Lindner und schiebt ihm die Schuld für das Scheitern der Koalition zu. Doch wer glaubt, dass Scholz damit sein Image als „Staatsträger“ retten kann, der irrt. Die deutsche Wirtschaft wankt, die Schuldenbremse wackelt, und Priorisierungen im Bundeshaushalt sind seit Monaten überfällig. Was bleibt uns? Eine Minderheitsregierung, die sich bei der Opposition, also bei Merz und der CDU, um Unterstützung für den Haushalt anbiedern muss. Ein vergiftetes Angebot, wie es scheint – Merz könnte bei der nächsten Wahl mit einem massiven Glaubwürdigkeitsproblem dastehen, wenn er sich auf eine Einigung mit Scholz und Habeck einlässt, deren Prioritäten er ablehnt.
Und jetzt? Was erwartet uns in den nächsten Monaten? Scholz wird bis Januar warten wollen, um die Vertrauensfrage zu stellen, sich aber in der Zwischenzeit über die Runden retten und die CDU um den Bundeshaushalt bitten. Vielleicht spekuliert er darauf, dass die SPD bei einer Wahl im Frühjahr stärker dasteht. Es ist fast schon tragisch, wie parteipolitische Taktik in Deutschland aktuell die notwendigen wirtschaftlichen Reformen ausbremst. Deutschland steht mit dem Rücken zur Wand, und das scheint vor allem Scholz und Habeck nicht zu beeindrucken.
Was bleibt? USA haben vielleicht bald eine stabile Regierung, während sich Deutschland und Europa immer mehr in politischer Instabilität verlieren. Ich frage mich, ob wir diesen Machtverlust jemals aufholen werden. Während Trump mit großen Gesten seine Politik durchdrückt, bleiben wir in Europa in internen Streitereien stecken. Es ist, als ob wir uns selbst vergessen haben.
Der 6. November 2024 war zwar ein Tag der Abwahl des Wokeismus, der linken Ideen, der tausend Geschlechter, der illegalen Migration und des Mikromanagements aber auch gleichzeitig der Rückschritte auf beiden Seiten des Atlantiks. Ein „großes Amerika“ auf Pump und ein „schrumpfendes Europa“ ohne Einigkeit und ohne Vision. Die Bürger werden bald wieder an die Wahlurnen gebeten – und hoffentlich erkennen sie diesmal, was wirklich auf dem Spiel steht.
EDIT 08.11.2024 17:00 Uhr:
Robert Habeck würde in seinem nächsten Buch vermutlich die Geschehnisse dieses Tages etwas anders darstellen – vermutlich so:
Mittwoch, 6. November 2023 – Der Tag, an dem die Ampel erlischt
Es war ein grauer, regnerischer Novembermorgen über Berlin, und im Kanzleramt versammelten sich Scholz, Lindner und ich zum entscheidenden Krisentreffen. Der Bundeskanzler saß schweigend am Tisch, die Stirn in Falten gelegt, während Finanzminister Lindner gerade mit hochrotem Kopf und erhobener Stimme über Steuern und Pflegereformen wetterte. „Es kann doch nicht sein,“ donnerte er, „dass wir fünf Milliarden für die Pflege auftreiben, aber für eine winzige Steuererleichterung in Höhe von zwei Milliarden ist kein Spielraum!“ Jörg Kukies, der Chefberater des Kanzlers, hielt sich bedeckt und schwieg loyal an der Seite seines Chefs – wohl wissend, dass Lindners Einwände ins Leere laufen würden.
Mit einem resignierten Kopfschütteln zog Scholz eine weitere Karte aus dem Ärmel: „Wie wäre es, wenn wir die Schuldenbremse aussetzen?“ Er blickte Lindner direkt in die Augen und versuchte, seine Worte wie eine Einladung zur Vernunft klingen zu lassen. „Wenn ich dir bei den Steuern entgegenkomme, kannst du im Gegenzug ein wenig Flexibilität zeigen.“ Lindner, routiniert skeptisch, sah den Kanzler durchdringend an und erwiderte, dass eine Notlage nicht gegeben sei. Schuldenbremse aussetzen? Für ihn unvorstellbar – allein schon aus verfassungsrechtlichen Gründen.
Einige Stunden und eine Kabinettssitzung später fand sich die Runde am Nachmittag erneut im vertrauten Verhandlungssaal zusammen. Scholz teilte ein elfseitiges Papier mit dem verheißungsvollen Titel „Agenda für Wachstum und Arbeitsplätze“ aus – ein Last-Minute-Kompromissangebot, wie er betonte. Lindner und ich verschanzten uns daraufhin in eine stille Lesepause. Lindner murmelte nach einigen Minuten halblaut: „Das ist ja matt und unambitioniert.“ Ich, auch im Kern enttäuscht, schüttelte nur leicht den Kopf. Der Text enthielt keine großen Überraschungen, sondern eine Aufzählung längst beschlossener Maßnahmen, flankiert von ein paar kleinen Zugeständnissen, die gerade so an das Wort „Innovation“ erinnerten. Am Ende drehte sich jedoch alles wieder um Scholz’ Lieblingsvorschlag: das Aussetzen der Schuldenbremse. Es war wie ein lahmer Verkaufsversuch für einen Gebrauchtwagen – zu einem Preis, der jede Vernunft überstieg.
Die Stimmung im Raum sank auf einen neuen Tiefpunkt. Lindner stand kurz davor, die Nerven zu verlieren und erhob erstmals offen die Frage, ob Scholz ihm nicht einfach die Entlassung androhe, sollte er das Spiel nicht mitspielen. Scholz ließ eine spürbare Pause entstehen, bevor er ihn mit einer kühlen Stimme wissen ließ, dass er auf eine Entscheidung bestehe – „heute noch.“ Nach diesem unschönen Austausch verließen alle den Raum für eine kurze Pause.
Während der Verhandlungen wurde ein Telefonat bekannt, das die Runde in helle Aufregung versetzte: Lindner hatte Bundespräsident Steinmeier angerufen und offenbar erste Schritte für seine Entlassung in die Wege geleitet. Als die Sitzung wiederaufgenommen wurde, war die Spannung beinahe greifbar. Scholz legte in ruhigem, fast bedauerndem Ton dar, dass er die Zusammenarbeit mit Lindner beenden würde. „Ich möchte nicht mehr, dass du meinem Kabinett angehörst“, sagte er, und selbst die FDP-Abgeordneten wirkten kurz sprachlos. Justizminister Buschmann und Bildungsministerin Stark-Watzinger, entschlossen, ihrem Chef treu zu bleiben, baten daraufhin ebenfalls um ihre Entlassung. Die Runde löste sich mit bleischweren Schritten auf – ein symbolischer Abschied von der Ampel.
Um 21:21 Uhr trat Scholz schließlich vor die Kameras, um die Nation offiziell über den Bruch zu informieren. Der Kanzler wirkte abgeklärt, beinahe erleichtert. In klaren Worten erklärte er, Lindner habe mehrfach das Vertrauen missbraucht und die Koalition gefährdet. „Ein solches Verhalten kann und will ich diesem Land nicht länger zumuten,“ erklärte er und setzte damit einen bitteren Schlussstrich unter die Zusammenarbeit.
Während Scholz im Bundestag von seiner Partei mit stehenden Ovationen gefeiert wurde, traf Lindner auf seine getreuen Parteikollegen und kündigte an, die Verantwortung nicht bei sich zu sehen. Im Gegenteil – der Kanzler selbst habe das Ende der Koalition kalkuliert herbeigeführt und die FDP auflaufen lassen. Ich beobachtete diese Tragödie mit stiller Miene und erklärte resigniert, dass dieses Ende zwar logisch, aber dennoch völlig unnötig gewesen sei. „In diesen Zeiten müsste das Land vereint stehen,“ sagte ich – wohl wissend, dass dieser Zug längst abgefahren war.
Noch am selben Abend plante Scholz die Vertrauensfrage und spekulierte offen auf Neuwahlen im März. Doch die Fragen, die dieser Tag aufwarf, dürften noch lange nachhallen: War das das Ende einer gescheiterten Freundschaft oder der notwendige Schnitt, um das Land weiterzuführen? Sicher ist, dass der Mittwoch, der 6. November 2023, als jener Tag in die Geschichte eingehen wird, an dem die Ampel erlosch – und mit ihr die letzte Hoffnung auf politische Harmonie in der Großen Koalition der Gegensätze.