Die Unabhängigkeit der Zentralbank gilt als elementarer Pfeiler wirtschaftlicher Stabilität. In den USA gerät dieses Fundament derzeit ins Wanken: Präsident Donald Trump hat in jüngsten Statements seine Angriffe auf Jerome Powell, den Vorsitzenden der Federal Reserve, deutlich verschärft. Forderungen nach Zinssenkungen, persönliche Beleidigungen und die Andeutung einer möglichen Absetzung Powells haben die Märkte in Aufruhr versetzt.
Die Reaktion an den Börsen war eindeutig. Der Dow Jones verlor fast 1.000 Punkte, der S&P 500 und der Nasdaq rutschten um über zwei Prozent ab. Parallel fiel der Dollar auf ein Drei-Jahres-Tief, während Gold als sicherer Hafen deutlich zulegte. Die Renditekurve der US-Staatsanleihen flachte ab – ein klassisches Warnsignal für eine bevorstehende Rezession.
Analysten werten diese Bewegungen als direkte Reaktion auf die politische Unsicherheit, die durch die Einmischung Trumps in die Geldpolitik entsteht. Ein derartiger Vertrauensverlust kann die Kapitalmärkte dauerhaft destabilisieren – vor allem, wenn aus verbaler Kritik politische Realität wird.
Zinspolitik unter Druck – eine doppelte Falle
Würde Trump tatsächlich auf eine Entlassung Powells hinarbeiten, wäre das ein Tabubruch mit weitreichenden Folgen – auch für die Zinspolitik. Ein neu ernannter Fed-Vorsitzender könnte unter politischem Druck stehen, die Leitzinsen zu senken, um kurzfristiges Wachstum zu erzeugen – etwa zur Stützung der Börsen oder im Vorfeld von Wahlen.
Doch genau darin liegt die Gefahr: Wie mehrere Ökonomen betonen, nehmen Märkte politische Einflussnahme auf Notenbanken besonders übel, weil sie mit wachsender Unsicherheit über Inflation und zukünftige Zinsen einhergeht.
Stimmen aus dem Markt
„Eine politisch gesteuerte Fed würde zu einem strukturell niedrigeren Bewertungsniveau an den Aktienmärkten führen“, warnt etwa Lisa Shalett, Chief Investment Officer bei Morgan Stanley Wealth Management. „Anleger verlangen Risikoprämien, wenn sie der Stabilität der Institutionen nicht mehr trauen.“
David Kelly, Chefstratege von J.P. Morgan Asset Management, ergänzt: „Wenn die Unabhängigkeit der Fed endet, ist die Ära vorhersehbarer Geldpolitik vorbei. Das würde die Volatilität an den Märkten massiv erhöhen – und bei jeder Rezessionsangst einen Zinsschock provozieren.“
Und der Fondsmanager eines großen internationalen Asset Managers bringt es auf den Punkt: „Ohne einen glaubwürdigen und unabhängigen geldpolitischen Kompass wird die Wall Street langfristig kein Vertrauen mehr in Washington haben – und das wird sich in den Bewertungen spiegeln.“
Der Effekt auf die Aktienmärkte wäre mehrschichtig. Einerseits könnten kurzfristige Zinssenkungen zu einer vorübergehenden Erholung führen – ähnlich wie 2019, als die Fed unter politischem Druck die Zinsen senkte. Doch dieser Effekt wäre teuer erkauft: durch höhere Inflationserwartungen, Kapitalflucht, steigende Risikoprämien und möglicherweise langfristig höhere Zinsen.
Zudem entfiele die Rolle der Fed als „Bad Cop“ der Wirtschaftspolitik – eine Instanz, die in Boomphasen gegensteuert und dadurch Stabilität sichert. Ohne diese Rolle wären Aktienmärkte anfälliger für Übertreibungen und Einbrüche.
Internationale Perspektive: Vertrauensschwund made in USA
Auch internationale Investoren zeigen sich zunehmend verunsichert. Aus Europa und Asien mehren sich Stimmen, die US-Anlagen mit zunehmender Skepsis betrachten. Ein führender Analyst einer Schweizer Großbank betont: „Wenn politische Willkür das Prinzip der Zentralbankunabhängigkeit untergräbt, sehen wir früher oder später Kapitalabflüsse – nicht nur bei Anleihen, sondern auch bei US-Aktien.“
Bereits jetzt fließt vermehrt Kapital in europäische und asiatische Märkte. Der mexikanische Peso konnte deutlich zulegen, ebenso die Börsen in Brasilien, Südkorea und der Schweiz.
Fazit: Die Fed als Gradmesser für Marktvertrauen
Die Diskussion um Powells Zukunft ist mehr als nur innenpolitisches Theater – sie ist ein Lackmustest für das internationale Vertrauen in die politische und wirtschaftliche Verlässlichkeit der USA. Ein offener Bruch mit der Tradition unabhängiger Geldpolitik hätte massive Auswirkungen: auf Zinserwartungen, auf die Volatilität der Aktienmärkte und auf die globale Kapitalallokation.