Lasst die Speicher ran – oder: Wie wir die Energiewende an der Bürokratie ersticken

Während ganz Deutschland darüber klagt, dass wir unsere Solarenergie zu Schleuderpreisen ins Ausland verklappen müssen, weil mittags die Netze überquellen, passiert etwas eigentlich Erfreuliches: Der Markt reagiert. Investoren stellen Batteriespeicher auf. Und zwar nicht zaghaft, sondern mit Milliardeninvestitionen, Tempo und Innovationsgeist. Was sagt die öffentliche Hand dazu?

 

 

Stopp. Warteschlange. Antrag unvollständig. Nach hinten anstellen.

Willkommen in Deutschland, dem Land der Formulare, Verordnungen und ministeriellen Weltferne. Da stellen sich hunderte Projekte mit über 200 Gigawatt Leistung in die Leitungsschlange, während unsere Spitzenlast bei gerade mal 80 Gigawatt liegt – ein systemischer Traum für Netzflexibilität. Doch statt vor Begeisterung Schnappatmung zu bekommen, schlagen die Netzbetreiber Alarm: Zu viele Speicher! Zu viele Anfragen! Keine Kapazitäten! Keine Menschen! Kein Plan!

Moment mal. Jahrelang predigen Politik und Wissenschaft, dass Speicher der fehlende Schlüssel für die Energiewende sind. Jetzt tauchen sie in der Realität auf – und sollen gleich wieder weg? Warum? Weil ein Gesetz von 2007 vorschreibt, dass Netzanschlüsse nach dem Windhundprinzip vergeben werden. Keine Bewertung nach Reifegrad, nach Nutzen, nach Standort. Nein, wer zuerst klickt, speichert zuerst. Auch wenn das Projekt nur aus einer PowerPoint-Präsentation und einem Pachtvertrag besteht.

Das ist keine Netzpolitik – das ist ein Schildbürgerstreich in Paragraphenform.

Anstatt aktiv zu steuern, werden Netzbetreiber zu Erfüllungsgehilfen einer absichtlich absurden Regelung degradiert. Anträge müssen in der Reihenfolge ihres Eingangs abgearbeitet werden. Die Netzdienlichkeit eines Projekts? Egal. Die technische Relevanz? Wurst. Ob das Projekt überhaupt je gebaut wird? Nicht von Belang. Hauptsache, es war schnell im Antragstool.

Und die Bundesnetzagentur? Schweigt weitgehend. Dabei müsste sie längst die Bremse lösen und sagen: „Lasst uns endlich priorisieren! Lasst uns die Bürokratie nicht als Gitter, sondern als Geländer benutzen!“ Doch stattdessen herrscht das klassische Berliner Mantra: Wir sehen das Problem, aber wir fühlen uns nicht zuständig.

Die Absurdität nimmt groteske Züge an, wenn man hört, dass sogar die geplanten Gaskraftwerke der Bundesregierung – die als Backup für den Kohleausstieg gedacht sind – hinten anstehen müssten. Warum? Weil ein Batteriespeicher mit zweifelhaftem Geschäftsmodell aus dem Februar einen Tag früher den Antrag abgeschickt hat. Willkommen im administrativen Kasperletheater.

Und hier kommt die eigentliche Schande: Das ist kein Naturgesetz, sondern ein bürokratischer Selbstbetrug. Wir könnten längst ein intelligentes, transparentes und rechtssicheres Priorisierungsmodell haben. Eines, das Speicher dort anschließt, wo sie das Netz wirklich stützen. Das Projekte bevorzugt, die technisch weit sind, belastbar finanziert, genehmigt, baureif. Und ja, das wäre sogar mit Rechtssicherheit vereinbar – wenn der politische Wille da wäre.

Doch den scheint man gerade auf die Bank geschoben zu haben. Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass das Thema sich schon irgendwie selbst regelt – wie immer.

Dabei müsste genau jetzt das Gegenteil passieren:

Wir brauchen nicht weniger Bürokratie – wir brauchen eine smarte Bürokratie. Eine, die unterscheidet zwischen Vision und Blender. Eine, die ihren Kompass am Systemnutzen ausrichtet, nicht an Stempeln und Formularordnern. Wir müssen die Verwaltung wieder zum Instrument machen – nicht zum Hindernis. Oder um es ganz direkt zu sagen: Wer Klimaziele ernst nimmt, muss aufhören, die Energiewende mit Excel und Aktenvermerken zu sabotieren.

Ja, Netzbetreiber sind überfordert. Ja, Speicherprojekte schießen wie Pilze aus dem Boden. Aber genau dafür haben wir Regulierung. Genau dafür gibt es Behörden. Nur eben nicht, um die Zukunft abzuwürgen, sondern um sie zu organisieren. Statt sich über die Welle zu beklagen, sollten wir endlich lernen, sie zu reiten.

Die Lage ist kein Versagen des Marktes – im Gegenteil. Es ist ein Versagen des Systems, auf den Markt vorbereitet zu sein.

Was es jetzt braucht:

  1. Eine überarbeitete KraftNAV, die Speicher nicht wie klassische Kraftwerke behandelt.
    Ein Priorisierungsrahmen, der Netzdienlichkeit, Reifegrad und strategischen Nutzen bewertet.
  2. Eine politische Ansage, dass Speicher systemrelevant sind – und nicht nur ein Investitionsspielzeug.
  3. Und vor allem: Eine Einsicht, die in Deutschland offenbar schwerfällt – nämlich, dass man Bürokratie auch gestaltenkann. Dass Regeln kein Zufallsprodukt sind, sondern Werkzeuge. Und dass man sie verdammt nochmal auch benutzenmuss, wenn sie der Sache dienen.

Die Speicher kommen. Die Energiewende rollt. Die Frage ist nur: Wird Deutschland sie empfangen – oder abwürgen?