Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-amerikanischen Federal Reserve (Fed) könnte sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Inflation, sondern auch auf Ihre Anlagestrategien.
Einfluss der Fed auf die EZB
Die EZB plant, im Juni die Zinsen zu senken. Doch die Fed wird ihre Leitzinsen wahrscheinlich stabil halten. Das bringt die Märkte zum Grübeln: Wie viel Spielraum hat die EZB wirklich?
Wir gehen davon aus, dass sich die Geldpolitik der beiden Zentralbanken auseinanderentwickeln wird. Das bedeutet: Zinssenkungen in Europa und stabile Zinsen in den USA. Solch eine Divergenz – also eine unterschiedliche Entwicklung – gab es schon früher. Weil die amerikanische Geldpolitik weltweit eine große Rolle spielt, könnte das dazu führen, dass die Zinsen in Europa langsamer sinken als nötig, besonders wenn der Euro unter Druck gerät.
Unterschiedliche Wirtschaftslage in den USA und Europa
In den USA lag die Inflation im April schon zum dritten Mal in Folge über den Erwartungen. Zinssenkungen sind daher vom Tisch. Wir hatten schon früh gewarnt, dass die Fed aufgrund der robusten Wirtschaftslage dieses Jahr keine Zinssenkungen vornehmen wird.
In Europa sieht es anders aus: Das Wirtschaftswachstum stagniert oder schrumpft, und die Inflation nähert sich dem Ziel der EZB von 2%. Die Kerninflation – die Inflation ohne stark schwankende Preise wie Lebensmittel und Energie – liegt aktuell bei 2,7% und könnte bis Ende des Jahres auf 2% sinken. Es gibt kaum Anzeichen dafür, dass die Inflation wieder anziehen könnte. Zwar steigen die Löhne, aber dieser Anstieg ist eher ein gesundes Nachholen und flacht allmählich ab.
EZB könnte von der Fed abweichen
Wir erwarten, dass die EZB im Juni die Zinsen senken wird. Das wäre ein Bruch mit der Tradition, denn normalerweise folgt die EZB der Fed mit etwas Verzögerung. Doch die wirtschaftliche Lage in Europa unterscheidet sich stark von der in den USA, was eine eigene Strategie rechtfertigt. Wichtige EZB-Vertreter, einschließlich Präsidentin Christine Lagarde, sehen das genauso.
Ein ähnlicher Fall trat bereits gegen Ende des letzten Jahrzehnts auf. Damals senkte die EZB ihre Zinsen und weitete das Anleihekaufprogramm aus, während die Fed die Zinsen anhob. Auch jetzt könnte die EZB schneller handeln als die Fed.
Risiken einer Divergenz
Ein steigender Zinsunterschied zwischen Europa und den USA könnte den Euro abwerten. Ein schwächerer Euro erhöht den Inflationsdruck in Europa, was die EZB von weiteren Zinssenkungen abhalten könnte. Ein weiteres Risiko sind steigende Energiepreise. Wenn der Preis für Rohöl auf über 100 US-Dollar pro Barrel steigen würde, könnte das die EZB ebenfalls bremsen.
Auswirkungen auf Ihre Geldanlage
Ein schwächerer Euro hat Auswirkungen auf global diversifizierte Portfolios. Für Anleger aus den USA und Großbritannien würden die Renditen europäischer Aktien sinken, da diese in Euro weniger wert wären. Anleger aus dem Euroraum würden hingegen von steigenden Renditen ihrer US-Dollar-Investitionen profitieren.
Langfristig sollten Sie jedoch nicht versuchen, den Markt zu timen. Stattdessen empfiehlt es sich, eine Anlagestrategie zu wählen, die zu Ihren Zielen und Ihrer Risikotoleranz passt. Änderungen z.B. in unseren Modellportfolios werden wir vor einem solchen Szenario nicht vornehmen. Die größten Auswirkungen werden sich in Deutschland vermutlich bei den Kreditnehmern und der Situation auf den Immobilienmärkten zeigen – größere Auswirkungen auf die Geldanlage erkennen wir Stand heute wohl nicht.