• Die EZB hat durch Fehleinschätzungen in Krisenzeiten die Inflationsziele erst deutlich unterschritten und dann drastisch überschritten, was nun eine starke geldpolitische Kurskorrektur erfordert.
  • Aufgrund der festgelegten “Forward Guidance” reagierte die EZB verspätet auf den Inflationsschub, was zu Vermögensverlusten und strengeren Kreditvergabestandards führte.
  • Trotz der unvermeidlichen Kosten der hohen Inflation in Form von geringem Wachstum und verschlechterten Finanzierungsbedingungen könnte ein klarer und konsequenter Stabilisierungskurs die Reputation der EZB wiederherstellen.

Lektionen aus der Geldpolitik: EZB und das Spiel gegen die Inflation

Manchmal nimmt das Leben eine unerwartete Wendung und die Notwendigkeit, zu adaptieren, wird zur obersten Priorität. Das gilt auch für die Europäische Zentralbank (EZB), die sich in den Wirren von Pandemie und Ukrainekrieg bemühen musste, ihre Geldpolitik anzupassen. Die Inflationsprognosen der EZB haben sich in den letzten Jahren als besonders fehlerhaft erwiesen. Nun steht sie vor der Herausforderung, ihre Rolle als stabilisierende Kraft im europäischen Finanzsystem wiederherzustellen.

Die Frage, die auf den Lippen aller Akteure auf den Kapitalmärkten liegt, lautet: Wie viele Zinserhöhungen wird die EZB noch durchführen, bis wir den Gipfel dieses Zinszyklus erreicht haben? Diese Entscheidungen haben nicht nur kurzfristige Auswirkungen, sondern auch langfristige Konsequenzen. So hat die EZB trotz einer ultraexpansiven Geldpolitik ihre Inflationsziele über Jahre hinweg verfehlt. Im Juli 2021 kam die Kehrtwende: ein symmetrisches und mittelfristiges Inflationsziel von 2 Prozent wurde festgelegt, unkonventionelle geldpolitische Instrumente wurden bestätigt und eingesetzt.

Doch selbst die klügsten Prognostiker können nicht alles vorhersehen. Die globale Covid-Pandemie und die Energiekrise infolge der Invasion Russlands in die Ukraine beeinflussten die Inflation auf unvorhersehbare Weise. Die EZB verweigerte jedoch lange Zeit eine Kursänderung, stützte sich auf die vorübergehende Natur der Inflation und machte günstige Prognosen zur Preisstabilität geltend. Erst im Juli 2022, bei einer atemberaubenden Inflationsrate von 8,9 Prozent, wurden die Leitzinsen erstmals angehoben.

Ein Schlüsselfaktor für die verzögerte Reaktion der EZB auf den Inflationsschub war die Bindung von Zinserhöhungen an das Ende der Netto-Anleihekäufe. Die EZB hat nun erkannt, dass geldpolitische Entscheidungen auf der Basis von eingehenden Daten flexibler und auf Sitzungsbasis getroffen werden müssen, insbesondere in Zeiten großer Unsicherheiten und Inflationsdynamiken.

Die EZB hat in den Zeiten niedriger Inflation oft auf mögliche Probleme bei der Transmission ihrer geldpolitischen Impulse in die Realwirtschaft wie die effektive Zinsuntergrenze hingewiesen. Groß angelegte Anleihekaufprogramme wurden ins Leben gerufen, um Zinsrisiken aus dem Markt zu nehmen und die Renditen an den Kapitalmärkten zu drücken. Aber die Folgen dieser Politik sind deutlich spürbar. Die Kehrtwende in der Geldpolitik hat erhebliche Vermögensverluste mit sich gebracht, die Finanzierungsbedingungen haben sich verschärft, und die Wirtschaft im Eurogebiet stagniert.

Die Bekämpfung der hohen Inflation wird unweigerlich Kosten verursachen: geringeres Wachstum und verschlechterte Finanzierungsbedingungen sind unvermeidlich. Aber je glaubwürdiger und verlässlicher die Aktionen der Zentralbank sind, desto geringer werden die Belastungen sein. Ein konsequenter und klar kommunizierter Stabilisierungskurs, bei dem das erforderliche Zinsniveau für eine Weile durchgehalten und der Abbau der aufgeblähten Bilanz angegangen wird, sollte die durch die Inflationsbeschleunigung verursachten Reputationsschäden beheben und die Glaubwürdigkeit der EZB festigen.

Die Vergangenheit kann nicht geändert werden, aber sie kann uns wertvolle Lektionen für die Zukunft lehren. Die EZB steht vor der Aufgabe, ihre Fehler zu erkennen und aus ihnen zu lernen. Denn nur so kann sie ihre Rolle als stabilisierende Kraft im europäischen Finanzsystem wiederherstellen.