Eine kurze Bestandsaufnahme am 39. Tag des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine:
- Wo stehen wir in den weltweiten Aktienmärkten heute?
- Sind wir überbewertet, unterbewertet, fair bewertet?
- Was bedeutet die “Zeitenwende” für Investoren (Aktionäre)?
Lassen Sie uns gemeinsam gerade in turbulenten Zeiten wie diesen einmal mit dem Bürostuhl etwas weiter zurück rücken von unserem Bildschirm, auf dem täglich viele Mails und Nachrichten ankommen, an dem sich von der Seite Breaking News hinein schieben und wo es in gewohnter Regelmäßigkeit “BING” macht, wenn eine besonders “wichtige” Nachricht um unsere Aufmerksamkeit buhlt.
Schauen wir uns gemeinsam oben diesen Linienchart des MSCI World der letzten sechs Jahre an – also die Entwicklung eines Aktienindex mit mehr als 1.600 Aktien aus 23 Industrieländern. Dabei beruht die Gewichtung der einzelnen Aktien auf ihrer jeweiligen Marktkapitalisierung. Also kurz: ein sehr guter Indikator für die weltweite Stimmung der Aktionäre und die Bewertung der relevanten Aktien.
Nur noch schlechte Nachrichten Ende 2018
Nach sehr ruhigen Jahren 2016, 2017 und auch noch 3/4 aus 2018 mit einem stabilen Aufwärtstrend nahe des bis heute berechneten mittleren Trends, kamen Ende 2018 erstmals Turbulenzen auf. Wir erinnern uns: US-Präsident Donald Trump hatte mit seiner Steuerreform die Unternehmensgewinne zu einer Zeit aufgepumpt, in der die Wirtschaft der Vereinigten Staaten ohnehin schon zu überhitzen drohte, der Handelsstreit mit China ging in eine neue Runde, mit dem Haushaltsstreit zwischen der EU-Kommission und der Regierung in Italien wurde offenbar, wie fragil die konjunkturelle Lage in der Euro-Zone im zehnten Jahr nach Beginn der Finanzkrise immer noch ist und es blieb fraglich, wie der BREXIT ablaufen sollte und welche Folgen er hat für die Wirtschaft des Staatenbundes hat.
Die Folge war ein ziemlich mieses 4. Quartal 2018 und sich häufende Stimmen in den Kommentaren, dass nun eine deutliche Korrektur an den Aktienmärkten folgen müsse.
Doch es kam anders – die Erholung setzte Anfang 2019 aus diversen Gründen sehr rasch ein und das Aktienjahr 2019 war unter dem Strich wider allen Unkenrufen hervorragend.
Dann kam die Vollbremsung mit Corona 2020
Zu den Tagen im März 2020 muss man rückblickend wohl wenig kommentieren. Wie ein Stein fielen die Aktienmärkte bis zum Tiefststand am 18.03.2020. Es war viel Kommunikation gefragt und die Plattform money-coaching.de mit den damals noch wöchentlichen Webinaren war in Windeseile aufgesetzt. Unsere damaligen Überlegungen galten primär der Frage, wie weit die Märkte noch fallen können. Meine Vermutung, dass sie sicherlich am “inneren Wert” – also dem Buchwert der Unternehmen laut letzter Bilanz” – Halt machen werden, hatte sich im Nachhinein betrachtet fast auf den DAX-Punkt genau bewahrheitet.
Wie man oben in dem Chart erkennen kann, sind wir in diesem Absturz weit mehr als eine Standardabweichung (“normale Schwankung”) nach unten gefallen und quasi aus diesem dargestellten Kanal herausgefallen. Ein Zeichen extremer Angst, Unsicherheit, vielleicht Panik. Auf jeden Fall ein Zeichen einer komplett schiefen Angebots- und Nachfragesituation an den Aktienmärkten weltweit.
Doch wie wir alle wissen folgte recht schnell ein Verständnis für diesen Corona-Virus, ein Verständnis für COVID-19 und die Erkenntnis, dass doch nicht alles komplett anders sein wird, wie es manch ein Politiker in Dauerschleifen in Talkshows wiederholte.
Am Ende schlossen die Corona-Jahre 2020 und 2021 jeweils sogar im Plus. Am obigen Chart sieht man, dass die Bewertungen sich gegen Ende 2021 sogar wieder im oberen Teil dieses Kanals aufhielten. Also schon recht “sportlich” waren und dem berechneten Trend etwas vorauseilten.
Dann kam der Angriffskrieg auf die Ukraine…
…und man muss in der Bewertung der weltweiten Aktienmärkte oben im Chart schon sehr genau hinschauen, wann wohl exakt der 24.02.2022 mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine war. Ausgehend von sehr weit gelaufenen Bewertungen – wenn man den Abstand von der Regressionsgeraden nach oben als ansteigend teurer betrachtet – zeigt sich bis heute eigentlich keine große Depression im Markt.
Natürlich notieren viele Aktien heute etwas niedriger als zum Jahresanfang und natürlich sind damit auch einige Wertpapierdepots der Anleger rund einstellig im Minus gerechnet seit dem 01.01.2022.
Aber sind Aktienmärkte nun noch immer zu teuer, wieder sehr billig oder einigermaßen fair bewertet? Auf diese Frage werde ich im kommenden Marktupdate am 12. April 2022 ab 18:30 Uhr deutlich genauer eingehen. Heute nur so viel dazu: Betrachtet man etwas detaillierter das sogenannte Forward-KGV (also das Kurs-Gewinn-Verhältnis nicht auf Basis der letzten Bilanzen sondern auf Basis von validen Gewinnschätzungen), ergibt sich folgendes Bild:
Lediglich die US-Aktien sind mit einem Forward-KGV von rund 18 höher bewertet als der zurückliegende KGV-Durchschnitt berechnet seit 1990. Europa (außer GB) notiert derzeit ziemlich genau auf ihrem historischen KGV seit 1990 von rund 14. Die Emerging Markets und China notieren heute deutlich unter ihrer historischen Bewertung bei einem Forward-KGV von 11 bzw. 8.
Somit ist klar:
Die heutigen Bewertungen an den etablierten Märkten sind zum Großteil fair und keinesfalls zu hoch. Eine breite Streuung im Wertpapierdepot sollte dabei aber wie selbstverständlich umgesetzt sein. In den Bewertungen derzeit nicht enthalten sind weitere Eskalationen des Krieges in der Ukraine und eine Ausdehnung auf NATO-Territorium. Das möchten sich noch nicht einmal die professionellen Aktienhändler und Analysten derzeit vorstellen. Also grünes Licht, die Sparpläne laufen zu lassen, grünes Licht für einen Ausbau des eigenen Portfolios – aber immer unter dem Gesichtspunkt einer sinnvollen Streuung und nicht einer Streuung für die Galerie. Viel hilft hier nicht viel, sondern es muss die Mischung aus den richtigen, passenden Anlageformen sein. Dann kommt man auch entspannt durch das Jahr 2022.