Finanzmärkte im zweiten Halbjahr 2023 – Ein Ausblick

Mein Verständnis der Finanzmärkte ist dynamisch, und so auch die Märkte selbst. Dieses Jahr ist dabei keine Ausnahme. Nachdem wir den ersten Teil des Jahres 2023 hinter uns haben, wollen wir gemeinsam einen Blick in die Zukunft wagen und analysieren, wie sich die zweite Jahreshälfte an den globalen Finanzmärkten gestalten könnte.

1. Globaler Überblick

Der erste Teil des Jahres 2023 war gekennzeichnet durch erhebliche Unsicherheiten und Rezessionsängste. Dennoch hielten sich die Märkte erstaunlich stabil. Dies könnte auf eine “Rückkehr zum Mittelwert” nach dem turbulenten Jahr 2022 und auf vorsichtige Positionierungen institutioneller Investoren zurückzuführen sein.

Eine der größten Fragen, die das Jahr prägen, ist, ob die Zentralbanken die Inflation unter Kontrolle bringen können, ohne die Wirtschaft in eine Rezession zu stürzen. Frühindikatoren wie Probleme im Bankensystem und Anzeichen von Instabilität im Finanzsystem weisen darauf hin, dass sich die aggressiven Zinserhöhungen auf das gesamte Wirtschaftssystem auswirken. Die zweite Jahreshälfte wird wahrscheinlich eine Klarstellung bringen.

2. Aktienmärkte

In der ersten Hälfte des Jahres 2023 waren die Aktien- und Anleihenmärkte nicht mehr so stark miteinander korreliert wie im Vorjahr. Sowohl globale Aktien als auch globale Anleihen verzeichneten gute Leistungen, und Multi-Asset-Portfolios (60/40-Portfolios) erzielten eine positive absolute Performance.

Auf den Aktienmärkten zeigen sich selektive Anlagechancen. Wir sind besonders konstruktiv für Aktien in unseren Multi-Asset-Portfolios. Trotz einer potenziell höheren Volatilität bleiben unsere quantitativen und Positionierungssignale positiv.

Wir sehen in den Emerging Markets (Schwellenländern) aufgrund attraktiver Bewertungen und des schwächeren US-Dollars gute Anlagechancen. Die Wiederöffnung Chinas nach den coronabedingten Lockdowns und die staatliche Unterstützung für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt sollten die allgemeine Stimmung gegenüber den Emerging Markets weiter stärken.

In Europa signalisieren Unternehmensgewinne, dass die Unternehmen bislang erfolgreich der stagnierenden Wirtschaft standhalten. Das weitere Vorgehen der Europäischen Zentralbank (EZB) in Bezug auf Zinserhöhungen wird jedoch einen Einfluss auf die weitere Entwicklung haben.

Der japanische Aktienmarkt profitiert von der ultralockeren Geldpolitik der Bank of Japan (BOJ) und hat in der jüngsten Vergangenheit eine der besten Performances erzielt. Investoren sollten jedoch wachsam bleiben, insbesondere wenn der neue BOJ-Gouverneur Kazuo Ueda entscheiden sollte, die aktuelle Zinskurvensteuerung aufzugeben, was zu höherer Marktvolatilität führen könnte.

In den USA lasten Rezessionsängste und hohe Bewertungen auf Teilen der Aktienmärkte. US-Technologiewerte haben jedoch durch verbesserte Umsatzprognosen für KI-Anwendungen und deren Komponenten Auftrieb erhalten. Dies könnte neue Trends für die Aktienmärkte bedeuten.

3. Anleihen und die Zinswende

Für eine ausgewogene Multi-Asset-Portfoliostrategie könnten Anleihen in den kommenden Monaten wieder attraktiver werden, insbesondere wenn sich die Zentralbanken dem Ende ihres Straffungszyklus nähern. Am US-Staatsanleihemarkt war dies bereits zu beobachten. Hier sind die Renditen von Anleihen mit kurzen Laufzeiten stark gestiegen.

Wir haben eine leicht defensive Haltung gegenüber europäischen Staatsanleihen, da die EZB ihre Geldpolitik voraussichtlich weiter straffen wird. Staatsanleihen aus Schwellenländern könnten aus Anlegersicht einen guten Diversifikator darstellen.

4. Rohstoffe

Die chinesische Wachstumsdynamik dürfte auch einigen globalen Rohstoffen zugutekommen. Kupfer könnte in den kommenden Monaten weiter nachgeben, aber seine Zukunftsaussichten bleiben positiv aufgrund seiner breiten industriellen Anwendung. Gold könnte in einem Umfeld hoher Inflation und geopolitischer Risiken attraktiv bleiben, und auch der Ölpreis könnte von den jüngsten Förderkürzungen der Opec+ profitieren.

5. Währungstrends

Die Entwicklung des US-Dollars wird entscheidend sein. Nach Erreichen eines 20-Jahres-Hochs im letzten Jahr, hat der US-Dollar in letzter Zeit an Wert verloren. Trotzdem könnte er bei Zunahme der weltweiten Rezessionsängste seinen Status als sicherer Hafen beibehalten. Aus Bewertungsgründen und aufgrund des risikoaversen Umfelds sehen wir den japanischen Yen positiv.


 

Insgesamt spricht unser Multi-Asset-Ausblick für eine größere Flexibilität, um von Anlagechancen bei Risikoanlagen zu profitieren und angemessen auf das Rezessionsrisiko und höhere Zinsen reagieren zu können. Die zweite Jahreshälfte 2023 könnte eine spannende Zeit an den Finanzmärkten darstellen. Wir empfehlen Ihnen, gut informiert und vorsichtig zu sein, aber auch offen für die sich bietenden Chancen.