Was hielten Sie von der Idee? Vermutlich würden Sie gleich darauf kommen, dass das kein guter Vorschlag ist: lassen Sie uns nach der Sommersaison doch einen Abstecher machen von Wiesbaden aus nach Nizza an die Côte d’Azur mit einem hübschen, kleinen, knuffigen Smart. Ist doch ein super Auto, oder?

Nun ja. Auch ohne autoverrückt zu sein käme vermutlich allen urlaubsreifen Autoreisenden schnell in den Sinn, dass ein kleiner Smart sicherlich ein tolles Auto ist, aber nur für den Zweck, für den das Auto entwickelt wurde. Als rollende Einkaufstasche für eigentlich fast schon zu kleine Parkplätze oder für die kurzen Strecken in der Stadt wo ein E-Scooter oder ein Fahrrad nicht taugen. Persönlich weiß ich, wovon ich spreche, denn ich war damals stolzer Besitzer eines Blau-Weißen Smarts, mit der Zulassungsnummer Elf in Wiesbaden. Damals drehte man sich noch verwundert um und schaute diesem seltsamen Ding hinterher – heute fällt dieses Auto überhaupt nicht mehr auf.

Wo ist jetzt der Anknüpfungspunkt für Money-Coaching? Nun ja, so wie uns allen sofort klar ist, dass man etwas, das für den Einsatzbereich (A) konzipiert wurde nicht unbedingt und sinnvoll für den Einsatz im Bereich (B) hernehmen sollte ohne massive Abstriche vorzunehmen oder größere Kompromisse in Kauf zu nehmen, genau so sollten wir Dinge auch in der Welt der Finanzen betrachten können.

Ich spiele hier an auf die aktuelle, in meinen Augen überflüssige, Diskussion über Sinn und Unsinn von ETF. Konkret mit dem veröffentlichten Artikel: “Weltindex in der Kritik: Ist der MSCI World wirklich ein Schummel-Index?”.

Einige Medien haben dem Index zuletzt Etikettenschwindel vorgeworfen. Der Weltindex sei gar ein Schummel-Index, hieß es zuletzt in einem Beitrag der Süddeutschen Zeitung. Der Auslöser war ein Kommentar eines Vermögensverwalters aus Köln. Dieser kritisierte das Übergewicht der Tech-Giganten Facebook, Apple, Amazon, Microsoft, Google (FAAMG-Aktien) innerhalb des Weltindex. Diese Unternehmen machten allein über 13 % der Marktkapitalisierung des Index aus. Aus Sicht des Experten ein Klumpenrisiko!

Teilnehmerinnen und Teilnehmern meiner Seminare und Leserinnen und Lesern einiger Blogbeiträge von mir ist meine Sicht auf diese Dinge und die abgeleitete Empfehlung sicherlich nicht neu, trotzdem scheint es angezeigt, diese kurz zu wiederholen. Erstens sollten wir uns kurz die Frage nach “Henne und Ei” stellen. Was ist eigentlich die Aufgabe, der Sinn und Zweck eines solchen Index, wie lange gibt es den schon und für was wird er mittlerweile “missbraucht”?

So wie ich mit einem Smart nicht zwingend ohne Not rund 1.000 km an die Côte d’Azur fahren muss so hat niemand behauptet, ein Vergleichsmaßstab aus der Produktreihe des Anbieters MSCI sei dafür da, Anleger in börsengehandelten Index-Fonds zu befriedigen auf der Suche nach einem passenden Index den der Fonds nachbilden soll. Sorry, aber das hat weder jemand behauptet noch war das die primäre Aufgabenstellung bei seiner “Geburt” Ende 1969. Da waren viele “ETF-Jünger” noch gar nicht geboren!

Bevor wir uns fachlich mit zwei Sätzen der Frage widmen also klar die Feststellung: Wer auf der Suche nach einem passenden Indexprodukt, also einem ETF ist, aus welchen Gründen auch immer, sollte sich vorher bitte den Index in Ruhe anschauen. Denn dieser Index ist im Zweifel ein Kompromiss aus etwas bekanntem, investierbaren und “marktgängigen” so dass ein Produktanbieter (eine Investmentgesellschaft) mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass man dieses Produkt auch abgesetzt bekommt.

Wer etwas intelligenteres sucht, also etwas, was in erster Linie für den Anleger gemacht wurde und in zweiter Linie als sinnvoller Vergleichsindex von Managementansätzen und Vermögensverwaltern in Frage kommt, der sollte sich bei sogenannten “Smart-Beta-Indizes” umschauen. Aber bitte den guten, alten MSCI-World in Frieden lassen. Der macht seinen Job, wie ein kleiner Smart in seinem richtigen Umfeld, nämlich hervorragend.

Und zweitens zur fachlichen Diskussion nur ein kurzer Gedanke: Die hohe US-Gewichtung, die derzeit kritisiert wird, kommt einfach daher, dass in den USA die größten und erfolgreichsten Unternehmen der Welt ihre Firmensitz haben. Klar? Also wo die Firma “wohnt”. Offen gestanden ist das, wenn man mal weiter denkt, ziemlich irrelevant, denn der Absatzmarkt von Apple, Facebook, Amazon, Google etc. ist schlicht die ganze Welt. Hätten diese Firmen ihren Sitz auf Malta, na dann hätte der Index eine seltsame Malta-Übergewichtung. Einfach, oder? Klar kann man jetzt über andere Gewichtungen nachdenken, zum Beispiel über eine Gewichtung nach BIP. Aber schauen wir uns selbst in Deutschland an: Trotz eines vergleichsweise ordentlichen BIP haben wir keine wirklich herausragenden börsennotierten Aktiengesellschaften die weltweit eine Rolle spielen.

Also ihr Redakteure und Finanztest-Besserwisser: Lasst bitte den MSCI World in Frieden. Dieses Produkt tut das, wofür es konzipiert wurde. Transparent. Einfach und vor allem unpolitisch. Wem das für seine aktive Anlageentscheidung taugt, der sollte das Produkt als Investmentgrundlage nehmen. Wer der Ansicht ist, dort seien Klumpenrisiken enthalten, der hat (a) Recht und (b) stehen ihr oder ihm alle Möglichkeiten offen, neben diesem Index weitere Komponenten dazu zu kaufen um ein individuell vermeintlich besser ausgewogenes Portfolio zusammen zu  stellen.